Test Kawasaki Ninja H2 SX SE: Reisekomfort mit druckvoller Beschleunigung

Überraschung: Kein Tourer bietet vergleichbare Beschleunigungserlebnisse und macht dabei so lammfromm und komfortabel Langstrecke wie Kawas Kompressor-Ninja.

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Kawasaki Ninja H2 SX SE

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Ein Motorrad mit Kompressoraufladung, Radar und Kamera klingt erstmal nach Science Fiction, ist aber Realität und für jeden käuflich. Kawasaki setzt mit der Ninja H2 SX SE Performance Tourer ein Statement, das zeigt, was möglich ist. Ohne Zweifel hat die giftgrüne Marke die Latte für Sporttourer ziemlich weit nach oben verschoben. Ich habe schon viele Motorräder getestet, aber noch keine, die bei hohen Geschwindigkeiten die Leistung so locker aus dem Ärmel schüttelt die die Ninja H2 SX SE. Das hat sie einem Kompressormotor mit 200 PS zu verdanken. Dabei fährt sich die Kawasaki lammfromm in der Innenstadt und bietet auf der Langstrecke erstaunlich viel Komfort.

Der 998-cm3-Reihenvierzylinder mit Kompressor ist seit 2015 aus der H2 bekannt, mit 200 PS bei 11.000/min. Drei Jahre später erhöhte Kawasaki die Maximalleistung auf 231 PS. In der H2R liegen sogar sagenhafte 310 PS an der Kurbelwelle an. Damit ist die H2R das stärkste Serienmotorrad der Welt, freilich ohne Straßenzulassung. 310 PS hält selbst Kawasaki, für die bärenstarke Motorräder schon immer zum Image gehörten, für etwas zu viel des Guten, um sie auf den normalen Straßenverkehr loszulassen.

Kawasaki stellte die H2 vor zwei Jahren ein, denn sie blieb ein seltener Anblick im Verkehr, da sie als reines Speedbike konzipiert und ihre Alltagstauglichkeit doch etwas eingeschränkt war, hinzu kam ihr Preis von mindestens 29.500 Euro. Um einen breiteren Käuferkreis anzusprechen, entwickelte die Marke 2018 den Sporttourer Ninja H2 SX mit dem Kompressormotor. Immer noch mit 200 PS, aber dank höherem Lenker und gut gepolsterter Sitzbank komfortabel und mit Koffern auch reisetauglich.

Der H2 SX-Motor erhielt für ein optimiertes Ansprechverhalten umfangreiche Modifikationen an Zylindern, Kolben, Kurbelwelle, Nockenwelle, Verdichterrad und Ansaugsystem. Ein Gitterrohrrahmen aus Stahl bringt auch bei Topspeed absolute Ruhe ins Fahrwerk. Die Aerodynamik verlangt eine Vollverkleidung, die mit einem kleinen LED-Spot und LED-Tagfahrleuchten futuristisch gestaltet ist.

Im Laufe der Jahre wurde die Ninja H2 SX immer weiter modifiziert, etwa durch ein semi-aktives Fahrwerk und TFT-Display. Für das aktuelle Baujahr stehen sogar Radar vorn und hinten sowie eine Frontkamera zur Verfügung. Kawasaki fährt eine etwas ausufernde Modellstrategie, den Kompressor-Sporttourer gibt es als Ninja H2 SX und Ninja H2 SX SE, wobei die SE (Special Edition) über ein semi-aktives Fahrwerk verfügt. Sowohl SX als auch SX SE gibt es in je vier verschiedenen Ausstattungsversionen: Basis, Tourer, Performance und Performance Tourer. Die von uns getestete Version mit dem Bandwurmnamen Ninja H2 SX SE Performance Tourer stellt also das Top-Modell dar. Das Testfahrzeug war mit einem getönten Windschild, seitlichen Protektoren und einem Akrapovic-Auspuff bestückt.

Natürlich stellt sich im Vorfeld die Frage nach dem Sinn eines Sporttourers mit 200 PS. Nach dem ausgiebigen Test kann ich aber bestätigen, dass die Ninja H2 SX SE Performance Tourer zu den besten Sporttourern auf dem Markt gehört. Ihr seidenweich laufender Vierzylinder ist ein äußerst angenehmer Begleiter, der auch im sechsten Gang ohne zu Ruckeln mit Tempo 50 durch die Innenstadt cruist. Niemand muss die vorhandene Leistung ausnutzen, eher führt der souveräne Motor zu einer sehr entspannten Fahrweise, egal ob City, Landstraße oder Autobahn. Meistens ist einer der beiden höchsten Gänge eingelegt und zieht selbst mit zwei Personen und Gepäck beladen kraftvoll durch. Kaum zu glauben, aber das 200-PS-Biest fährt sich lammfromm.

Test Kawasaki Ninja H2 SX SE (8 Bilder)

Kawasaki beweist mit der Ninja H2 SX SE Performance Tourer, dass sich mächtige Kraft und Reisetauglichkeit nicht ausschließen.
(Bild: Ingo Gach)

Dazu bietet die Ninja H2 SX SE dem Fahrer und der Sozia viel Komfort. Für das aktuelle Modell wurde die Kontur des Sitzes leicht geändert und verbreitert. Obwohl es bei der Sitzhöhe von 835 mm blieb, vergrößerte sich dadurch die Schrittbogenlänge geringfügig, was aber für Fahrer über 1,70 Meter kein Problem darstellt. Die Kawasaki verfügt über Stummellenker, die oberhalb der Gabelbrücke befestigt sind und bis auf 96 cm hoch reichen. Zwar muss ich mich mit dem Oberkörper schon etwas nach vorn legen, um sie zu greifen, aber es lastet kein ungebührlicher Druck auf den Handgelenken.

Für die Geschwindigkeitsbereiche, in die die Ninja H2 SX SE vordringen kann, ist die nach vorn orientierte Körperhaltung dringend notwendig, denn so schützt die Vollverkleidung und der eigentlich gar nicht so riesige Windschild hervorragend vor dem tobenden Sturm. Der Kniewinkel bleibt entspannt, trotz der sportlich nach hinten gerückten Fußrasten.

Die Kupplung lässt sich mit minimalem Kraftaufwand ziehen und der erste Gang rastet mit vernehmlichen Krachen ein, dann setzt sich die Kawasaki geschmeidig in Bewegung. Auch wenn die Performance Tourer einen Akrapovic-Endschalldämpfer besitzt, bleibt sie erfreulich leise, ihr Standgeräusch ist mit 94 dB eingetragen, selbst bei Vollgas wird sie nicht unangenehm laut. Meine Befürchtung, dass der Sporttourer mit einem Leergewicht von 267 kg und einem Radstand 1480 mm schwerfällig wäre, bewahrheitet sich nicht. Die Ninja H2 SX SE lässt sich erstaunlich leichtfüßig bewegen, dabei zeigt sie ein absolut neutrales Einlenkverhalten. Chapeau, da haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet.

Die Kawasaki verfügt im Heck über eine mächtige Einarmschwinge, vorn arbeitet eine Upside-down-Gabel mit einem Reifen der weit verbreiteten Größe 120/70ZR17, während hinten ein breiter 190/55ZR17 die gewaltigen Kräfte auf die Straße überträgt. Dank der Bridgestone S22-Reifen gelingt der Kawasaki das auch vorzüglich, sie gelten als sehr gute Sportreifen.

Die Ninja H2 SX SE glänzt mit einem semi-aktivem Fahrwerk, dass sich entsprechend den Fahrmodi von "Rain", "Road", "Sport" und "Rider" einstellt. Wobei im Modus "Rain" die Höchstleistung um die Hälfte gekappt wird und sich in "Rider" die Parameter individuell auswählen lassen. Die Kawasaki filtert im Road-Modus so ziemlich alle Straßenunebenheiten weg, selbst gröbere Stöße dringen kaum zum Fahrer durch. Nach dem Wechsel in das Sportprogramm zeigt die Ninja zwar eine straffere Dämpfung, aber keine ungebührliche Härte.

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Kawasaki hat der Ninja H2 SX SE Performance Tourer reichlich elektronische Assistenzsysteme auf den Weg gegeben, neben Kurven-ABS verfügt sie über Schlupf- und Motorbremsmomentregelung, Quickshifter, Keyless-go-Zugang, Kollisionswarnung, LED-Kurvenlicht, automatisch abblendendes Fernlicht, Reifendruck-Kontrollsystem, Notbremssignal der Blinker, Feststellbremse, (Abstands-)Tempomat und Totwinkelwarner. Dafür erhielt der Sporttourer Radar von Bosch vorn und hinten sowie eine Frontkamera. Wenn nachts das automatische LED-Fernlicht aktiviert ist, erkennt der Kamerasensor entgegenkommende Scheinwerfer und blendet selbstständig ab.