Vom Fahren zum Gefahrenwerden. USA – Eldorado für Testbetriebe mit Robotaxis
Bei wichtigen rechtlichen Fragen für autonome Autos herrscht Durcheinander, trotz Testbetrieben. Von Joe Biden erhofft sich die Branche den Durchbruch.
Robotaxis, schön und gut. Und entsprechende Geschäftsmodelle gibt es mittlerweile auch. Aber: Kein Geschäft ohne gesetzliche Regelungen, die es auch erlauben; diverse, teils diffizile rechtliche Fragen um Entscheidungsträger, Haftung und Verantwortlichkeiten müssen geklärt werden. Und die regulatorische Situation in den USA ist kompliziert: Autonomes Fahren ist auf Bundesebene bislang nicht geregelt.
Der Self-Drive-Act, ein erster Versuch der Regulierung autonomen Fahrbetriebs, war nicht über das Repräsentantenhaus hinausgekommen. Das Verkehrsministerium (United States Department of Transportation, DOT) ist über allgemein gehaltene Appelle und Empfehlungen hinaus bislang nicht in Erscheinung getreten.
Bundesweite Regelung – Fehlanzeige
Dem Verkehrsministerium unterstellt ist die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Sie ist verantwortlich für die Zulassung von Fahrzeugen und Kraftfahrzeugausrüstung und insbesondere für die Sicherheit. Für die Regulierung "des menschlichen Fahrer- und Fahrzeugbetriebs" jedoch seien die einzelnen Bundesstaaten zuständig ("Automated Driving Systems 2.0: A Vision for Safety").
Autonomes Fahren, die Auswirkungen auf den Personentransport mit Robotaxis, people movern, autonomen Bussen und die notwendigen Techniken und Regularien beschäftigen uns in einer zehnteiligen Serie, deren einzelne Artikel bis zum 14. Mai werktags erscheinen.
- Teil 1: Fahrerloser Passagiertransport – es geht los!
Im Verkehrsausschuss des Bundestages geht es am Montag, den 3. Mai, um autonome Flotten, woanders gehören Robo-Taxis fast schon zum Alltag. Der Start der Serie zum Thema.
- Teil 2: 2008: Das Projekt "Chauffeur" geht an den Start
Seit nunmehr 14 versucht Google aus der Selbstfahrtechnologie ein funktionierendes Geschäftsmodell zu machen, wir zeichnen die Entwicklung nach.
- Teil 3: Pandemie-Effekt: Robotaxis nehmen an Fahrt auf
Technisch scheint ihr Betrieb annähernd gelöst zu sein, aber wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit einer fahrerlosen Flotte aus? Ein Überblick.
- Teil 4: USA – Eldorado für Testbetriebe mit Robotaxis
In einigen Bundesstaaten laufen Testbetriebe, Kalifornien hat gar den kommerziellen Betrieb reguliert. Von Joe Biden erhofft sich die Branche den Durchbruch.
- Teil 5: Robo-Taxis – wer macht das Rennen in den USA?
Zwei Dutzend Unternehmen testen autonome Flotten, in Kalifornien wird das Rennen vermutlich entschieden. Wir geben einen Überblick über das Bewerberfeld.
- Teil 6: Wie Kalifornien, nur größer: Robotaxis in China
Der potenziell größte Markt für autonome Flotten kann sich in punkto Technologie, Testbetriebe und Kapitalausstattung der beteiligten Firmen sehen lassen.
- Teil 7: China: Autonomes Fahren durch Planwirtschaft
Experimentierfreudige Startups, staatliche Infrastrukturförderung und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung machen autonome Flotten in China zum Erfolgsrezept.
- Teil 8: Automatische Shuttles – der europäische Weg?
Robotaxi-Testläufe finden sich in Europa keine, dafür immer mehr autonome Shuttles, die als Teil des öffentlichen Verkehrs zaghafte Fahrversuche unternehmen…
- Teil 9: Grüne Welle für Robotaxis auch in Deutschland?
Dieser Tage debattiert der Bundestag einen Gesetzesvorschlag aus dem Verkehrsministerium, der Robotaxis auch bei uns den Weg ebnen könnte.
- Teil 10: Fahrerloser Transport als Teil der Verkehrswende
Robo-Taxis, people mover und autonome Shuttles – können autonome Flotten einen Beitrag zur Verkehrswende leisten?
Den Bundesstaaten obliegt es also bislang, das autonome Fahren in ihrem Zuständigkeitsbereich zu regulieren. So entsteht ein regulatorischer Flickenteppich, der mitunter dazu führt, dass Testfahrzeuge beim Überqueren von Staatsgrenzen die Nummernschilder wechseln müssen.
Einige Bundesstaaten sind vorgeprescht, zum Beispiel Arizona und Texas. Diese sind zum Experimentierfeld zahlreicher Unternehmen geworden, die voll- und teilautonome Fahrzeuge auf der Straße testen. Derzeit haben 29 Staaten entsprechende Gesetze beschlossen oder es liegen Gouverneurs-Erlasse vor.
Regulierungs-Pionier Kalifornien
Kalifornien ist bevorzugtes Testgebiet vieler Startups – wegen des Wetters, aber auch weil der Bundesstaat die Heimat vieler Tech-Konzerne ist. Zudem war der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA immer schon Vorreiter bei vielen regulatorischen Initiativen, die den Verkehrssektor betreffen – von der Gurtpflicht bis hin zu ambitionierten Schadstoffgrenzwerten ist der pazifische Bundesstaat vorneweg marschiert. Bereits 1990 veröffentlichte die kalifornische Umweltbehörde California Air Resources Board (CARB) das weltweit erste Programm mit dem Ziel, Null-Emissions-Fahrzeuge zu fördern. Die CARB hatte übrigens auch maßgeblichen Anteil bei der Aufdeckung des Dieselskandals. Jüngst erklärte das demokratisch regierte Kalifornien den Ausstieg aus der Verbrennertechnik für 2035.
In Kalifornien gelten die strengsten Vorschriften für den Betrieb autonomer Fahrzeuge. Unternehmen müssen jeden gefahrenen Kilometer sowie alle Unfälle und Vorkommnisse dokumentieren, insbesondere die Häufigkeit, mit der das Sicherheitspersonal gezwungen war, die Kontrolle zu übernehmen (Disengagement-Fall).
Seit November 2020 ist in Kalifornien sogar der kommerzielle Betrieb von Robotaxi-Flotten gesetzlich geregelt – eine Weltpremiere. Die California Public Utilities Commission (CPUC), die für die Genehmigung von kommerziellem Personen- und Gütertransport zuständig ist, setzte zwei Programme auf, unter deren Schirm autonome Fahrzeugflottenbetreiber ihre Fahrzeuge nunmehr auch kommerziell betreiben können. Diese beiden Programme ermöglichen es teilnehmenden Unternehmen, Passagierservice und Sharing-Fahrten anzubieten und Gebühren für Fahrten in autonomen Fahrzeugen zu verlangen.
Unternehmen, die Robotaxi-Dienste einführen möchten, müssen der CPUC vierteljährliche Berichte vorlegen, die "aggregierte und anonymisierte Informationen zu den Start- und Endpunkten der Fahrten, Verfügbarkeit und Umfang von rollstuhlgerechten Fahrten; die Angebote für benachteiligte Gemeinden sowie die Energiebilanz des Betriebs, sowie die zurückgelegten Fahrzeugmeilen und Passagiermeilen" enthalten, legte die Kommission fest.
Kalifornien hat mit diesen Regelungen vorgelegt. Vermutlich werden ihre Vorgaben zum role model für weitere bundesstaatliche oder sogar nationale Regelungen. Wie schon im Ridesharing-Business prescht Kalifornien auch regulatorisch vor. Bereits seit 2012 definiert und reguliert Kalifornien sogenannte Transportation Network Companies (TNC), also Mobilitätsdienste wie etwa Uber, die eine onlinefähige Plattform verwenden, um Passagiere mit Fahrerinnen und Fahrern zu verbinden, die ihre eigenen Privatfahrzeuge benutzen.