Überwachungskameras auf Schritt und Tritt – alles im Blick?

Ob in der U-Bahn, im Bahnhof oder der Gedenkstätte – Videokameras zeichnen auf, wer wo war. Die Bilder helfen auch, Kriminelle zu fassen. Bringt weitere Technik mehr Sicherheit?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Überwachungskameras auf Schritt und Tritt – alles im Blick?

(Bild: sxc.hu)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Claudia Kornmeier
  • dpa

Es werden immer mehr: Überwachungskameras in U-Bahnen, Zügen und auf Bahnhöfen. Viele Menschen finden sie inzwischen selbstverständlich, nehmen sie kaum noch wahr. Vor ein paar Jahren wurde noch heftig über das Für und Wider diskutiert. Nun herrscht weitgehend Konsens: Kameras helfen, Verbrechen aufzuklären. In Berlin lobten jetzt selbst Grüne, dass der Sexualmord an der 18-jährigen Hanna mit Videobildern aus der U-Bahn in wenigen Tagen aufgeklärt wurde. Der mutmaßliche Mörder geriet wohl unter Druck und ging zur Polizei.

Deutschland scheint fast schon auf dem Stand von Großbritannien zu sein, wo CCTV (Closed Circuit Television) zum Alltag gehört. Laut einer etwa zwei Jahre alten Umfrage sehen zwei Drittel der Briten kein Problem darin, gefilmt zu werden. Einer gleich alten Schätzung eines Sicherheits-Branchenverbands zufolge gibt es fast 6 Millionen Überwachungskameras im Königreich, viele davon in London.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter befürwortet Videoüberwachung als "wichtiges Ermittlungswerkzeug". Doch Allheilmittel seien sie nicht – das Verbrechen an Hanna sei nicht verhindert worden, sagt Thomas Spaniel, BDK-Landesvize. So sieht es auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU): "Es braucht immer auch Personal, das eingreifen kann."

Ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt, kontrollieren die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern. Will die Polizei auf die Aufnahmen zugreifen, um Verbrechen aufzuklären, sind die Länder zuständig. Ihre Regelungen unterscheiden sich nur im Detail, etwa bei der Länge der Speicherfristen.

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (U-Bahn, Bus, Tram) werden die Videos zwei Tage gespeichert. "48 Stunden sind besser als gar nichts, aber eine Verlängerung der Frist wäre noch besser", sagt Kriminalist Spaniel. Laut Berliner Innenverwaltung forderte die Polizei im Jahr 2014 mehr als 3000-mal Material aus Überwachungskameras an.

Berlins scheidender Datenschutzbeauftragter Alexander Dix warnte zu Jahresbeginn, viele Menschen seien zu technikgläubig und meinten, Kameras schafften Sicherheit. Zwar steige die Chance, Verdächtige zu fassen, der abschreckende Effekt werde aber "stark überschätzt".

Trotzdem wird vielerorts auf Kameras gesetzt. So will die Polizei nach dem Brandanschlag auf das geplante Asylbewerberheim in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) weitere Attacken mit Kameras verhindern. Nach dem Diebstahl eines Tores in der KZ-Gedenkstätte Dachau entschied sich die Stiftung Bayerische Gedenkstätten für eine Videoüberwachung.

Auch in den brandenburgischen Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück gibt es Kameras, aber kein Aufsichtspersonal mehr. Und nach den Terroranschlägen in Frankreich sprach sich im Januar eine große Mehrheit der Deutschen für mehr Kameraüberwachung aus.

Nach Angaben der Deutschen Bahn sind bundesweit 4800 Kameras an rund 640 Bahnhöfen installiert. Zudem gibt es 18.000 Videokameras in Regionalzügen und S-Bahnen. Die Tendenz sei steigend, sagt eine Sprecherin. Für die Bahn gehe es aber eher darum, die Abläufe auf den Gleisen zu kontrollieren. Ob Züge mit Kameras ausgestattet werden, hänge von den Vorgaben ab, die etwa die Bundesländer machen.

Während in Berlin alle U-Bahn-Züge sowie 173 Bahnhöfe mit Kameras ausgestattet sind und in 86 Prozent der Busse und 64 Prozent der Straßenbahnen solche Technik eingebaut wurde, gibt es in den S-Bahnen keine Videoüberwachung. Aus rechtlicher Sicht spreche aber nichts dagegen, sagt der Sprecher des Datenschutzbeauftragten in Berlin, Joachim-Martin Mehlitz. Ob auf mehr Personal oder Videoüberwachung gesetzt wird, sei eine politische Entscheidung.

Nordrhein-Westfalens Datenschutzbeauftragter Ulrich Lepper äußerte sich vor kurzem besorgt über einen anderen Aspekt: den zunehmenden Einsatz von Überwachungskameras durch private Unternehmen. Sein Berliner Kollege teilt die Skepsis. Der Markt wachse, die Technik sei in den letzten Jahren immer billiger geworden. Dabei hätten die Bürger das Recht, sich im öffentlichen Raum unbeobachtet zu bewegen.

Viele Besitzer privater Kameras kennen laut Berlins Datenschutzbeauftragtem Dix die Bestimmungen gar nicht. Es müsse einen Grund geben, etwa einen Überfall in der Vergangenheit. Außerdem müssten Inhaber von Läden, Imbissen, Kneipen oder Tankstellen auf die Kamera hinweisen. "Es darf keine heimliche Videoüberwachung geben." (anw)