USA: Die Netzneutralität ist wieder da

7 Jahre nach Abschaffung führen die USA die Netzneutralität wieder ein. Diffizile Fragen bleiben dabei offen.​

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8 Ethernet-Kabel stecken an einem Router

(Bild: momente/Shutterstock.com)

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Die USA führen Die Drei Gebote der Netzneutralität wieder ein. Sie wurden bereits 2015 beschlossen, Ende 2017 aber wieder abgeschafft. Hinzu kommt die Möglichkeit, ausländische Mobilfunker und Internet Service Provider (ISP) vom Markt auszuschließen, wenn sie die Nationale Sicherheit unterminieren – und die Behörde macht sofort davon Gebrauch. Außerdem müssen ISPs Störungen melden und beheben sowie ihre Netzmanagementpraktiken offenlegen. Das hat die Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) am Donnerstag beschlossen.

Die drei Demokraten der Commission stimmten für den Beschluss, die beiden Republikaner dagegen. Dabei geht die Idee der Netzneutralität auf die FCC im Jahr 2004 unter dem Republikanischen Präsidenten George W. Bush zurück. Doch die heutige Partei der Republikaner hat mit der damaligen wenig gemein. Sie wird, gemeinsam mit großen ISPs, versuchen, die Verordnung durch einen Parlamentsbeschluss oder ein Gerichtsurteil aufheben zu lassen. Allerdings wurde bereits der 2015 gefällte Netzneutralitätsbeschluss erfolglos vor Gericht angefochten. In der US-Bevölkerung ist Netzneutralität quer durch die Wählerschichten sehr beliebt.

Neu sind undeutliche Aussagen zum Verhältnis der FCC-Vorgaben zu Netzneutralitätsbestimmungen einzelner US-Staaten, sowie eine "Wasch mich, aber mach mich nicht nass"-Regelung für Zero Rating. Zum neuen Konfliktthema Network Slicing sowie hinsichtlich 5G IoT (Internet of Things) versucht die Behörde, sich mit "schauen wir einmal, dann sehen wir schon" aus der Affäre zu ziehen. Diese Verschwommenheit könnte Gegnern der Netzneutralität neu Ansatzpunkte liefern, ein Gericht davon zu überzeugen, die Netzneutralität in Teilen oder ganz aufzuheben.

Eigentlich klingt Netzneutralität ganz einfach. Die Drei Gebote gelten für im Einzelhandel für den Massenmarkt angebotene Breitband-Internetzugänge, egal ob Festnetz oder mobil:

  • Keine Websperren für rechtmäßige Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädliche Geräte.
  • Keine Tempobremsen (Throttling) für "legalen Internetverkehr" auf Basis rechtmäßiger Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädlicher Geräte.
  • Keine Bevorzugung legalen Internetverkehrs gegenüber anderem legalen Internetverkehr im Austausch gegen Zuwendungen jeglicher Art. Auch eigene Inhalte und Dienste dürfen die Breitbandanbieter nicht bevorzugen.

Zudem gibt es eine allgemeinere Wohlverhaltensregel. Der Teufel liegt in Details, zumal sich einige technischen Maßnahmen sowohl wettbewerbs- oder verbraucherfeindlich als auch -freundlich auswirken können.

Bei Zero Rating wird der Datenverbrauch bestimmter Applikationen oder Dienste nicht vom inkludierten Datenvolumen eines Tarifs abgezogen. Das verschafft den ausgenommenen Diensten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern und unterläuft grundsätzlich die Netzneutralität. Andererseits könnte es neuen Diensteanbieter Einstiege in Märkte ermöglichen, den sie sonst nicht schaffen würden.

Die FCC hat dazu keine spezielle Regel erlassen, sondern möchte Zero Rating im Einzelfall im Licht der allgemeinen Wohlverhaltensregel beurteilen. Sie stellt immerhin klar, dass sie bezahltes Zero Rating, bei dem ein Diensteanbieter einem ISP Geld oder andere Vorteile gibt, wenn sein Dienst nicht das Datenvolumen der Endkunden belastet, kritisch sieht. Bei der endgültigen Beurteilung der Auswirkungen eines bestimmten Zero-Rating-Angebots auf das offene Internet werde es aber auf "die Gesamtheit der Umstände" ankommen.

Network Slicing ist vor allem in 5G-Mobilfunknetzen in Mode. Dabei wird bestimmten Diensten oder Kunden feste Kapazitäten in den Funkzellen exklusiv zugewiesen. Nicht genutzte Kapazitäten liegen allerdings brach und werden nicht temporär anderen Nutzern zur Verfügung gestellt. Vermittelt ein ISP beispielsweise einen bestimmten Videostreaming-Dienst über ein virtuell abgetrenntes Netz, stellt sich die Frage, ob das überhaupt noch ein Breitband-Internetzugang ist, der unter die Netzneutralitätsbestimmungen fällt, oder das drahtlos Äquivalent von Kabelfernsehen, das kein Internetdienst ist und hier nicht reguliert wird.

Problematisch ist, dass viele Network Slices die Kapazität der nicht-reservierten Bandbreite einschränken, also zu Nachteilen beim unstreitigen Breitband-Internetzugang führen. Außerdem kann es Wettbewerbsnachteile für virtuelle Mobilfunkanbieter (MVNO) gebe, die sich in ein fremdes Netz einmieten. Sie können Network Slicing in der Regel nicht anbieten.

Die Behörde stellt fest, dass sich und Markt und Angebot hier noch entwickeln. Daher sei es für Regulierung zu früh. Sie verspricht aber, "gegen schädliche Verwendung von Network Slicing vorzugehen". Speziell Dienste, die sich über das offene Internet eher nicht anbieten lassen, dürften auf Wohlwollen treffen – die Behörde nennt medizinische Fernoperationen mit Robotern als Beispiel. Dabei müssen Störungen und Latenzprobleme im offenen Internet ja unbedingt vermieden werden.

Rechtlich fußt die Wiedereinführung der Netzneutralität darauf, dass die FCC Breitband-Internetzugang wieder als Telecom-Dienst einstuft. Das verschafft der Behörde die Zuständigkeit für Regulierung, sodass die sie Netzneutralitätsverordnung erlassen kann. Gleichzeitig fällt Internet und Mobilfunk damit auch wieder unter Bestimmungen zum Schutz der Nationalen Sicherheit.

Und das nutzt die FCC sofort. Fünf Telecom-Anbieter, die im Eigentum der Volksrepublik China stehen, werden vom US-Telecommarkt ausgeschlossen. Das betrifft China Mobile, China Telecom Americas (CTA), China Unicom (CUA), Pacific Networks und Comnet. Im Festnetz hat die FCC China Telecom bereits 2021 in den USA zugesperrt. Für Internet und Mobilfunk war das nicht möglich, weil die Republikaner unter Präsident Donald Trump der FCC die Zuständigkeit entzogen hatten, um die Netzneutralität abzuschaffen.

Nach Veröffentlichung im US-Amtsblatt (Federal Register) haben die fünf chinesischen Provider 60 Tage Zeit, ihren Betrieb in den USA einzustellen. Zum gleichen Termin greift auch die Netzneutralität. ISP, die gemeinsame Internetzugänge für Mehrparteienhäuser vermarkten, erhalten 180 Tage Zeit, ihre Verträge und Geschäftspraktiken anzupassen.

Unklar bleibt das Verhältnis zwischen der bundesweit gültigen Netzneutralitätsverordnung und den von etwa einem Dutzend US-Staaten eingeführten Netzneutralitätsbestimmungen. Die FCC könnte solche Staatenregeln zwar für unwirksam erklären, hat das aber bewusst nicht getan.

Solange US-Staaten ihre Vorschriften in einer Weise umsetzten, die im Einklang mit den Bundesregeln stehen, möchte sich die FCC da heraushalten und freut sich sogar über die Unterstützung. Was das im Details bedeutet, und wann die FCC einschreiten würde, weiß niemand. Das wird wohl auch davon abhängen, welche politische Partei gerade in der FCC das Sagen hat.

(ds)